Heute beginne ich mit einer Begebenheit aus dem Jahre 1985, als unsere
Kirche renoviert wurde und ihren alten Namen Katharinenkirche wieder
erhielt:
Die altersschwache Heizung musste endgültig
erneuert werden. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde der Ziegelboden zwischen
Chor und Kirchenschiff herausgenommen. Dabei geschah es! Plötzlich ein Loch
im Fußboden und darunter kam eine lang in Vergessenheit geratene niedrige
Gruft zum Vorschein. Mit den hinzugezogenen Fachleuten vom Denkmalschutz
wurde die Gruft untersucht, vermessen und fotografiert. Man fand einen
Steinsarkophagen, zwei Zinksärge und zwei bis drei vollständig zerstörte
Särge, deren Überbleibsel mit den Gebeinen in einer Ecke lagen. Es ist
anzunehmen, dass die Decke nach 1742 einmal eingestürzt war. Dabei wurden
diese Särge zerstört. Neben den Überbleibseln lag auch Bauschutt, der in der
Eile, wie auf einem Foto gut erkennbar ist, hinter die Särge geschaufelt
wurde.
Es bestand bestimmt weiterhin Einsturzgefahr, denn der Sarkophag dient jetzt
als zusätzliche Stütze, und viele Kalkspritzer auf den anderen Särgen zeugen
von einer hastigen Bauausführung.
Im Steinsarkophag ruht Detlev Blome, der als
Sohn von Wulf Blome (1651-1735) am 03. September 1687 auf Gut Hagen geboren
wurde und am 18. September 1742 unverheiratet im Hamburg verstarb. Warum
dieser Sarkophag nicht in der 1717 angebauten Gruft beigesetzt wurde, ist
unbekannt. Wer in den beiden unzerstörten Särgen ruht, ist mir nicht
bekannt, aber ein flacher Zinksargdeckel der zerstörten Särge gab ein
„Geheimnis“ preis:
Auf Anordnung des Denkmalschutzes wurden die
zerstörten Sargteile heraufgeholt, um sie zu entsorgen. Dies erfuhr der
leider viel zu früh verstorbene ortsansässige Paul Schmidt. Wir beschlossen,
diesen Deckel in seiner Werkstatt einmal genau anzusehen, denn trotz aller
Verschmutzung konnte man erkennen, dass etwas in den Zinkdeckel graviert
war. Nach gemeinsamer Säuberung stellten wir fest, dass in dem zerstörten
Sarg Bartram Pogwisch (27.12.1540-1607) geruht hatte. Er war Besitzer der
Güter Dobersdorf, Hagen und Schönhorst. Seine Frau war Ida Pogwisch, geb.
Blome. Sie waren die Urgroßeltern von Lucia Blome, geb. Pogwisch, die 1646
Hinrich Blome geheiratet hatte. So ist anzunehmen, dass in den anderen
Särgen in dieser Gruft die Vorfahren von Lucia Blome, ihr Ehemann Hinrich
und auch sie selbst beigesetzt waren. Ob auch ihr Vater Siegfried Pogwisch,
der 1626 mit 30 Jahren im heutigen südlichen Niedersachsen während des
30-jährigen fiel, hier beigesetzt wurde, ist nicht bekannt.
Beschreibung des Sargdeckels:
Auf dem oberen Drittel
des Sargdeckels befindet sich ein Wappen mit dem laufenden Wolf (Pogwisch);
auf der Spitze des Wappens ein Wolfskopf, der aus einem Federbusch
herausragt. Über dem Wappen sind die Buchstaben „BPW“ eingraviert. Unter dem
Wappen ist Jesus am Kreuz mit INRI-Inschrift und am Fuße des Kreuzes ein
Totenschädel mit Gebeinen eingraviert. Der äußere Rand des gesamten Deckels
ist mit kunstvollen Ornamenten ziseliert.
Inschrift des Sargdeckels:
IN DISSEM SARCKHE
ROUWET DER EDLER NE... ERN VESTER BARTRAM PHOWISSCHE DER SEINEN GODT ...
NEDICH SI
ICK WETH DAT MIN
VORLOSER ERLEVET UND HE WERT MI NAMALS UTH DER ERDEN VPERWECKEN UN ICK WERDE
DANACH MIT DISSER MINER HVD VMMEGEVEN WERDEN UND WERDE IN MINEN FLEISCHE
GODT SEHEN DEN SULVVEN WERDE ICK MI SEHEN UND MINE OGEN WERDEN ENE SCHOUWEN
UND ... FREMDER
ICK WILL SCHOUWEN DIN
ANTLATE IN GERCHTIGHEIT ICK WILL SATH WERDEN; WE ICK UPWAKE NA DINEN BI...E
STEHMEN HÖREN UND WERTH HERUD GAHN, DE GUDT GEDAHN HEBBEN THO DER
UPERSTANDINGE UND DA LEVEN WOL
JESUS SPRACK: ICK BIN
DES UPERSTANDINGE UND DAT LEVEN, WOL AN MI GELOVET DE WERT LEVEN WEN HE OCK
REDE STORVE UNDE WOL DAR LEVET UND GELOVET AN MI DE WERT NIMMER MHER STERVEN
ANNO 1607
Unter der Inschrift
befindet sich ein Wappen mit dem springenden Hund (Blome), auf der Spitze
des Wappens ein Busch aus Pfauenfedern, darunter folgende Inschrift:
DIE POEWISKEN SELIGE
BARTRAM NAGELATEN WEDEWE:
Jetzt liegt der
Sargdeckel auf einem einfachen Holzrahmen genagelt auf dem Kirchenboden und
wird dort in Vergessenheit geraten. Aber irgendwann wird wieder jemand den
Sargdeckel in Augenschein nehmen und wohl rätseln, wie und warum dieses
Überbleibsel aus lang vergangener Zeit auf dem Kirchboden lagert. An Paul
Schmidt, dem wir es hauptsächlich zu verdanken haben, dass ich diesen
Bericht schreiben konnte, wird sich dann wohl niemand mehr erinnern.
Horst Perry
|